Aspen muss Preise massiv senken
Die EU-Kommission erklärte Zusagen des südafrikanischen Pharmakonzerns für verbindlich. Im Durchschnitt reduziert dieser seine Preise für sechs Krebs-Medikamente um 73 Prozent - und lässt Zweifel anklingen, ob diese überhöht sind.
Die EU-Kommission hat Verpflichtungszusagen des südafrikanischen Pharmakonzerns Aspen Pharmacare für verbindlich erklärt. Aspen garantiert, die Preise für sechs unentbehrliche patentfreie Arzneimittel zur Behandlung schwerer Formen von Blutkrebs, darunter Leukämie, um durchschnittlich 73 Prozent zu senken. Für die einzelnen Medikamente bedeutet das Preisminderungen zwischen 27 und 79 Prozent. Die neuen Preise sind Kostenobergrenzen und gelten rückwirkend ab 1. Oktober 2019. Weiters leistet Aspen eine Einmalzahlung an die Gesundheitssysteme in der EU. Damit wird die überhöhten Preise zwischen dem 1. Oktober 2019 und dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der neuen Preise abgegolten. In der Bilanz für das am 30. Juni 2020 beendete Geschäftsjahr hatte Aspen für diesen Zweck 430 Millionen südafrikanische Rand (24 Millionen Euro) vorgesehen. Zum Vergleich: Nach eigenen Angaben erzielte Aspen mit den Medikamenten zuletzt einen Jahresumsatz von etwa 28 Millionen Euro.
Ferner muss Aspen die sechs Mittel noch fünf Jahre lang selbst in der EU vermarkten und anschließend deren Verfügbarkeit weitere fünf Jahre sicherstellen. Dies hat zu erfolgen, indem der Konzern sie entweder selbst anbietet oder ihre Marktzulassungen an andere Hersteller verkauft.
Treuhänder beaufsichtigt
Ein von der EU-Kommission beaufsichtigter Treuhänder wird die Einhaltung der Zusagen überwachen. Sollte Aspen diese verletzen, kann die Kommission eine Strafe von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes des Konzerns verhängen. Sie braucht dabei nicht nachzuweisen, dass dieser gegen das Kartellrecht der EU verstoßen hat. Aspen erwirtschaftete nach eigenen Angaben zuletzt einen Jahresumsatz von rund 33,7 Milliarden südafrikanischen Rand (1,9 Milliarden Euro).
Das Unternehmen hatte die Rechte zur Herstellung der Medikamente im Jahr 2009 von einem anderen Pharmakonzern gekauft. Ab 2012 begann Aspen, die Preise für die Pharmazeutika zu erhöhen. Im Lauf der Zeit beliefen sich die Steigerungen auf mehrere hundert Prozent. Im Jahr 2017 leitete die EU-Kommission ein eine Untersuchung der Preispolitik des südafrikanischen Konzerns ein. Das Ergebnis: „Die Preise von Aspen lagen selbst nach Berücksichtigung einer angemessenen Rendite durchschnittlich um fast dreihundert Prozent über den relevanten Kosten, wobei der Überschuss von Produkt zu Produkt und von Land zu Land unterschiedlich groß ausfiel.“ Legitime Gründe konnte das Unternehmen dafür nicht angeben, umso weniger, als die Patente bereits vor 50 Jahren abgelaufen waren. Wie die EU-Kommission festhält, konnte Aspen die Preiserhöhungen durchsetzen, weil keine alternativen Medikamente zur Verfügung standen. Und: „Als nationale Behörden versuchten, sich den Preiserhöhungen zu widersetzen, drohte Aspen gar, die Medikamente aus den nationalen Listen erstattungsfähiger Arzneimittel streichen zu lassen, und gab in einigen Fällen sogar seine Absicht bekannt, die üblichen Lieferungen in den betreffenden Mitgliedstaat einzustellen.“ In zähen Verhandlungen gelang es der Kommission, die nun gemachten Zusagen zu erreichen.
„Zwei Euro pro Tablette“
In einer Aussendung zeigte sich Aspen erfreut, „dass die Kommission die Verpflichtenden Zusagen akzeptierte und der Fall somit abgeschlossen ist“. Ausdrücklich betonte das Unternehmen, über 80 Prozent der Umsätze mit den sechs Mitteln würden mit Tabletten erwirtschaftet. Die Preise hätten im Durchschnitt nicht mehr als zwei Euro pro Tablette und drei Euro pro Patient pro Tag betragen. Auch würden die Arzneien von durchschnittlich nur etwa 200 Patienten im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum benötigt. Mit einem der Medikamente würden sogar nur acht Patienten behandelt.
Margrethe Vestager, die für Wettbewerb zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, konstatierte, infolge der Zusagen „werden die europäischen Gesundheitssysteme viele Dutzend Millionen Euro einsparen, sodass diese wichtigen Arzneimittel verfügbar bleiben können. Der heutige Beschluss ist eine klare Botschaft an andere marktbeherrschende Pharmaunternehmen, keine missbräuchlichen Preisbildungspraktiken anzuwenden, mit denen unsere Gesundheitssysteme ausgenutzt werden“.