Bayer mit Milliardenverlust 

Knapp drei Milliarden Euro Verlust muss der deutsche Agrochemie- und Pharmakonzern für 2023 verbuchen. Unter den Gründen ist nicht zuletzt das schlechte Glyphosat-Geschäft. An Herausforderungen mangelt es nicht. Deshalb will Konzernchef Bill Anderson nun abbauen – bei den Schulden und bei der Unternehmensbürokratie. 

 

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Bayer-Chef Bill Anderson: wenig zu lachen mit Patentabläufen, Rechtsstreitigkeiten, Schulden und Bürokratie

Der deutsche Agrochemie- und Pharmakonzern Bayer verzeichnete 2023 einen Verlust von 2,94 Milliarden Euro, nachdem er 2022 einen Gewinn von 4,15 Milliarden Euro verbucht hatte. Der Umsatz verringerte sich um 6,1 Prozent auf 47,64 Milliarden Euro, das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) um 21,3 Prozent auf 10,63 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) stürzte um 91,3 Prozent auf 612 Millionen Euro ab. Der Free Cashflow schließlich sank um 57,9 Prozent auf 1,31 Milliarden Euro. 

 

Im Bereich Crop Sciences schrieb Bayer einen operativen Verlust (EBIT) von 3,49 Milliarden Euro, verglichen mit einem Gewinn von 2,95 Milliarden Euro im Jahr 2022. Der Umsatz sank um 7,5 Prozent auf 23,27 Milliarden Euro. Begründet wird dies im Geschäftsbericht insbesondere mit „Preisrückgängen bei unseren glyphosathaltigen Produkten aufgrund von reduzierten Preisen für Generika“. Abgesehen davon meldet Bayer für diesen Geschäftsbereich „eine insgesamt positive Preisentwicklung durch innovative Produkte und höhere Agrarproduktpreise“.


Auch der Geschäftsbereich Pharmaceuticals (rezeptpflichtige Medikamente) verzeichnete einen Umsatzrückgang. Dieser belief sich auf 6,1 Prozent, der Umsatz auf 18,01 Milliarden Euro. Das EBIT verringerte sich um 20,3 Prozent auf 3,97 Milliarden Euro. Mit dem Gerinnungshemmer Xarelto, seiner bis dato wichtigsten „Cash Cow“, machte Bayer um 9,6 Prozent weniger Umsatz, in absoluten Zahlen waren es 4,08 Milliarden Euro. Der zweitstärkste Umsatzbringer war das Augenmedikament Eylea mit 3,23 Milliarden Euro, was einem leichten Plus um 0,6 Prozent entspricht. Der Umsatz mit dem Krebsmittel Nubeqa wuchs dagegen stark, nämlich um 86,5 Prozent auf 869 Millionen Euro. Das Nierenmittel Kerendia legte sogar um 152,3 Prozent auf 270 Millionen Euro zu. 

 

Auch im kleinsten Geschäftsbereich, Consumer Health (rezeptfrei Präparate) hatte Bayer einen Umsatzrückgang zu verkraften. Dieser hielt sich mit 0,9 Prozent aber in Grenzen. In absoluten Zahlen belief sich der Umsatz auf 6,03 Milliarden Euro. Das EBIT wuchs um etwa 21,0 Prozent auf 1,16 Milliarden Euro. 

 

Vier Herausforderungen 

 

Vorstandschef Bill Anderson, der Bayer seit Mitte vergangenen Jahres leitet, attestierte seinem Unternehmen vier Herausforderungen. Die erste sind die „Patentabläufe und unsere Pipeline bei Pharma“. Die Patentabläufe betreffen vor allem Xarelto und Eylea, bei denen „einige schwierige Jahre bevorstehen“. Immerhin habe Bayer 2023 „acht Zulassungsanträge für neue Medikamente eingereicht. Dieses Tempo wollen wir beibehalten“. 


Die zweite Herausforderung sind die Rechtsstreitigkeiten bezüglich PCB und Glyphosat. Anderson zufolge will sich Bayer insbesondere bei Glyphosat, das er als „sicher“ und „essenziell“ bezeichnete, „energisch verteidigen“. Außerdem werde der Konzern „alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, diesen Rechtskomplex im Sinne unseres Unternehmens und unserer Kunden abzuschließen. Sie können mehr Initiativen von Bayer in diesem Bereich erwarten, aber wir können uns erst dazu äußern, wenn es im Interesse des Unternehmens ist“.


Als dritte Herausforderung nannte Anderson die Schulden. Sie belaufen sich auf rund 34,5 Milliarden Euro und sind gegenüber 2022 um 8,5 Prozent gewachsen. Deshalb wird die Dividende in den kommenden drei Jahren „auf das gesetzliche Minimum“ eingeschränkt. „Der Schuldenabbau wird bei der Verwendung der einbehaltenen Barmittel oberste Priorität haben. Dieser Schritt wird uns helfen, bis Ende 2026 in Richtung eines Single-A-Ratings voranzukommen“, versicherte Anderson.


Viertens schließlich plagt Bayer die konzerninterne Bürokratie. Ihr entgegenwirken will Anderson mithilfe „eines radikalen neuen Organisationsmodells, das wir Dynamic Shared Ownership nennen“. DSO, so die Abkürzung, soll die bis dato bis zu zwölf Ebenen zwischen Anderson und den Bayer-Kunden im Durchschnitt auf fünf bis sechs Ebenen verringern. Laut Arbeitsdirektorin Heike Prinz geht es bei DSO um die Schaffung von profitorientierten Teams aus etwa 15 Personen und einer Führungskraft, „die auf Kunden und Produkte ausgerichtet sind“. Prinz zufolge arbeiteten Ende 2023 rund 50 Teams und 2.500 Beschäftige in solchen Einheiten. Bis Ende des Jahres sollen sämtliche knapp 100.000 Beschäftigten „im Sinne von DSO arbeiten“. 

 

Vorerst kein Verkauf 

 

Vorerst abgeblasen ist der Verkauf der Sparte Consumer Health. Statt dessen wird das Bayer-Management laut Anderson „in den kommenden 24 bis 36 Monaten unsere Energie und unseren Fokus darauf richten, unser Organisationsmodell Dynamic Shared Ownership zu implementieren, um die Performance zu verbessern, die Rechtsstreitigkeiten wirkungsvoll anzugehen, den Verschuldungsgrad in Richtung eines A-Ratings zu senken und eine starke Pharma-Pipeline aufzubauen“. In der Folge könnte das Abstoßen des Geschäfts mit rezeptfreien Pharmazeutika aber durchaus wieder zum Thema werden. „Unsere Antwort auf die Frage nach Strukturveränderungen lautet ‚nicht jetzt‘ – aber das sollte nicht als ‚nie‘ missverstanden werden. Natürlich werden wir für alles offenbleiben“, resümierte Anderson.