cr: sie äußerten sich zustimmend zu den thesen von övp-chef sebas- tian kurz, der ankündigte, das kassen- system „auf brechen“ zu wollen. kurz gehört der bundesregierung seit dem 21. april 2011 an. er hätte also reich- lich zeit gehabt, das „aufbrechen“ ein- zuleiten. ministerratsbeschlüsse erfol- gen bekanntlich einstimmig. r ic ht i g i s t : ku r z i s t m it g l ied der regierung und daher auch für deren beschlüsse mitverantwortlich. ande- rerseits gibt es natürlich auch eine res- sortverantwortung. letztlich kann man jedes mitglied der bundesregierung fra- gen: was hast du getan, um das prinzip „health in all policies“ durchzusetzen? bei den einschätzungen der auswir- kungen von gesetzen kommt das thema gesundheit so gut wie nie vor. natürlich hätte auch kurz diesbezügliche ände- rungen etwas forcieren können. aber es ist wahlkampf, und kurz ist nicht der einzige, der sich der gesundheits- reform annimmt. auch bundeskanz- ler christian kern hat die reserven der sozialversicherungen angesprochen. offenbar sind jene, die von außen kom- men, und die jüngeren eher bereit, sich mit der gesundheitsreform zu befassen. wir werden sehen, ob das auch nach der nationalratswahl so bleibt. sicher ist nur: das thema lässt uns nicht mehr los. cr: sie sagten, eine gesundheitsreform werde „ohne konsens nicht möglich sein". nun reden die einen vom „auf- brechen“, ohne das zu präzisieren. die anderen wollen, dass im wesentlichen alles bleibt, wie es ist. wie ist da ein konsens möglich? wi r, d ie pharmai ndustr ie, si nd ei n starker partner im gesundheitswesen. wir wollen, dass es funktioniert. wenn etwas schief läuft, erlauben wir uns, kritik zu üben, aber auch vorschläge zu machen. konsens kann es nur geben, wenn man sich mit der lage der anderen seite ernsthaft auseinandersetzt und versucht, zu verstehen, was man dem gegenüber zumuten kann. und verän- derungen sind zumutbar, weil die welt sich ändert. österreich ist keine insel der seligen mehr, sondern teil des euro- päischen und globalen getriebes. eine reform, die von so festgefahrenen und verkrusteten strukturen ausgeht, wird wehtun. aber sie ist die einzige chance, den kommenden generationen ein star- kes solidarisches gesundheitswesen zu hinterlassen. cr: ist der gesetzgeber verstärkt wil- lens, zuungunsten der pharmaindus- trie zu agieren? beim rahmen-phar- mavertrag gab es erheblichen druck. die asvg-novelle im frühjahr brachte einschneidende kostenbegrenzungen für medikamente. d u r c h den r a h menph a r m aver t ra g haben w i r a ls indust r ie d ie ausga- ben für die medikamente sehr niedrig gehalten und massiv dazu beigetragen, dass sich die gebarungsergebnisse der k ran ken kassen i n den letzten neun jahren sehr positiv entwickelten. wir waren sicher kein kostentreiber. lei- der besteht in österreich die neigung, die wir tschaf t schlechtzureden und sie als gaunertum darzustel len. das ist der vollkommen verkehrte ansatz. den n wi ssensc haf t u nd wi r tsc haf t sind die wesentlichen säulen, die werte und die möglichkeiten schaffen, unser gesundheits- und sozialwesen weiter auf einem vernünftigen niveau zu hal- ten. wer das nicht versteht, macht einen großen fehler. cr: provozieren nicht manche fälle in der wirtschaft zu recht kritik? der pharmamanager martin shkreli wurde anfang august in erster instanz verurteilt. der strafrahmen beträgt bis zu 20 jahre haft. der dieselskandal ist in aller munde, internationale kon- zerne überbieten einander bei der steu- ervermeidung. verurteilt wurde shkreli wegen wert- papierbetruges und nicht wegen seiner aktivitäten in der pharmazeutischen industrie. auch nehmen wir nicht in anspruch, immer das richtige zu tun oder getan zu haben. aber wir bemühen uns sehr. und einem einzigen herrn shkreli stehen millionen von menschen i n der phar mazeut i sc hen i ndust r ie gegenüber, die jeden tag ordentliche arbeit leisten. ja, auch ein dieselskan- dal ist keine glanzleistung. a ber ich plädiere dafür, sich auf das positive zu konzentrieren, die eigenen stärken zu stärken und die schwächen zu schwä- chen. um eine atmosphäre der reform- bereitschaft zu erreichen, ist es nötig, die stärken der wirtschaft hervorzuhe- ben. leider ist die wirtschaft im politi- schen prozess viel zu schwach vertre- ten. im national- und bundesrat sind viele damen und herren tätig, die in ihrem berufsleben kaum mit der wirt- schaft zu tun bekommen und daher oft auch nicht wissen, wie sie funktioniert „österreich ist keine insel der seligen mehr, sondern teil des europäischen und globalen getriebes.“ märkte & management chemiereport.at austrianlifesciences 2017.6 29 – im besten sinne für die gesamte bevöl- kerung. cr: was sollte die bundesregierung bis wann tun, um die in fti-strategie vor- gesehene erhöhung der forschungs- quote auf 3,76 prozent des bip zu errei- chen? die 3,76 prozent sind nur eine zahl. wir müssen uns überlegen, wie viel geld wir in welchen bereichen einsetzen. es ist unmöglich, überall stark zu sein. immerhin hat die bundesregierung die forschungsförder ung von zwöl f auf 14 prozent erhöht. das ist ein richti- ges und wichtiges signal, auch gegen- über firmen außerhalb österreichs. aber wir müssen auch in der bildung schritte setzen. wünschenswert wären weiters vermehrte steuer- und investi- t ion s f r e i bet rä ge i n den r ic ht igen bereichen, even- tuell über zwei bis drei jahre hinweg. da r ü b e r h i n au s ist die arbeitszeit weiter zu f lexibi- lisieren, natürlich im zusammenwirken mit der gewerk- schaft. es kommt vor, dass jemand im labor einen prozess entwickelt und nach zehn stunden au f hören muss, obwohl er nur mehr eine halbe stunde bräuchte. am nächsten tag muss er wie- der neu beginnen. das hat doch keinen sinn. niemand möchte, dass die men- schen permanent zwölf oder 14 stunden pro tag arbeiten. damit würden sich die unternehmen nur selbst schaden. notwendig sind arbeitszeitmodelle, bei denen die arbeitgeber und die arbeit- nehmer gewinnen. die gewerkschaft reagiert auf solche anliegen immer mit einer gegenforderung. dieses politi- sche abtauschen ist aber nicht die beste erfindung. cr: der plan, in die bundesverfas- sung ein bekenntnis zu „wachstum, beschäf tig ung und einem wettbe- werbsfähigen wirtschaftsstandort“ aufzunehmen, ist vorerst gescheitert. wäre ein solches staatsziel aus ihrer sicht sinnvoll? a llein, weil etwas in der verfassung steht, wird es noch lange nicht gelebt. sc h lec ht wäre es n ic ht, ei n k lares bekenntnis zum standort und zum wett- bewerb abzugeben. auch eine schul- denbremse wäre sinnvoll. im interesse der künftigen generationen ist es nicht mehr vertretbar, jedes jahr schulden zu machen. wenn wir das nicht ändern, werden wir absinken. und das wird uns alle treffen.