34 coverthema chemiereport.at austrianlifesciences 2017.8 wird die echa viel arbeit mit autorisierungen und ein- schränkungen der verwendung von chemikalien haben, die in den nächsten jahren beginnen. ferner muss sie gewährleis- ten, dass die registrierungsdossiers aktuell gehalten werden. alles das wird der echa die größte chemikaliendatenbank der welt verschaffen. cr: derzeit sieht es nach einem „harten“ brexit aus. wie wird das die chemieindustrie betreffen? ich bin noch nicht sicher, dass es zu einem „harten“ brexit kommt. alle mir bekannten verhandlungen beginnen laut- stark und turbulent. und dann kommt es am samstag um 4:30 uhr in der früh nach 48-stündigen gesprächen schließlich doch zu einer einigung. ich sehe natürlich, was sich abspielt. aber ist das taktik, ist es strategie, ist es nur theaterdonner? wir haben mit eu-chefverhandler michel barnier gespro- chen, weil wir einer der potenziell am meisten betroffenen wirtschaftszweige sind. jedes jahr transportieren wir waren im wert von rund 40 milliarden euro über den ärmelkanal. wenn großbritannien aus der eu austritt, bedeutet das, es müssen viele formulare ausgefüllt werden, bevor ein export oder import erfolgen kann. das wird wertschöpfungsketten zerreißen. wir werden unsere produktion neu organisieren müssen. das zweite problem ist der freie personenverkehr. wartungsteams größerer unternehmen werden nicht nach staatsbürgerschaft zusammengestellt, sondern nach erfah- rung, und sie werden quer durch europa geschickt, nach groß- britannien und wieder zurück. wenn das nicht mehr möglich ist, ist das ein problem. die dritte herausforderung sind die zölle. etliche chemikalien werden viele male über den ärmel- kanal und zurück transportiert, bevor sie als stück seife auf den markt kommen. bei einem „harten“ brexit werden zölle in der höhe von drei bis vier prozent des warenwerts anfal- len – und das bei jeder überquerung des ärmelkanals. denn, wer nicht in der zollunion ist, ist eben draußen. freilich las- sen sich dafür lösungen finden. aber das wird nicht einfach sein. es dauert seine zeit, aus einem omelett wieder zwei eier zu machen. dazu kommt: werden chemikalien aus großbritannien auch künftig reach entsprechen? wenn nicht, sollten sie nicht auf den europäischen markt gelangen. und wenn die briten der eu nicht mehr angehören, werden sie dann für die echa bezah- len, wie es die norweger tun? werden sie entscheidungen der echa und des europäischen gerichts akzeptieren? wenn sie letzteres nicht tun, können sie nicht mitglied bei der echa sein. und wenn sie das nicht sind, können sie reach nicht erfüllen. außerdem gibt es eine reihe von detailfragen. wird ein lead registrant im sinne von reach seinen sitz in groß- britannien haben können? höchstwahrscheinlich nicht. wird es möglich sein, wissenschaftliche projekte von großbritan- nien aus zu leiten? möglicherweise nicht. all diese probleme werden sich zeigen, wenn sich der staub der verhandlungen gelegt hat. cr: in der zweiten jahreshälfte 2018 hat österreich die eu-ratspräsidentschaft inne. was erwarten sie sich davon? viel. es wird eine schwierige präsidentschaft. im märz 2019 verlassen die briten die eu, bald darauf finden die wah- len zum europäischen parlament statt. das heißt, in brüssel wird es bereits im zweiten halbjahr 2018 um die zeit nach der österreichischen präsidentschaft gehen. wie wird das budget der nächsten eu-kommission aussehen? was wird der bre- xit wirklich bedeuten? wenn wir einander im herbst kom- menden jahres in wien treffen, werden wir wissen, ob wir damit gegen die wand fahren oder nicht. aus diesen gründen sind weniger gesetzesvorschläge seitens der kommission zu erwarten. in ihrem arbeitsprogramm heißt es sinngemäß: „wir werden abschließen, was wir begonnen haben. und wir werden nichts mehr anfangen, was wir nicht abschließen kön- nen.“ die österreicher werden also der kapitän sein, der das boot in den hafen steuert. und das ist der hafen des brexit und der parlamentswahlen. die österreicher müssen darauf achten, dass die eu keinen schaden nimmt – zu einer zeit, wo wirklich niemand einen solchen schaden gebrauchen kann. kreislauf zum wachsen wachstumsmöglichkeiten für die chemieindustrie waren einer der schwerpunkte der chemicals convention des europäischen branchenverbandes cefic ende oktober in wien. bei einer podi- umsdiskussion am 27. oktober warnte rachael bartels, die leite- rin der weltweiten chemieabteilung des beratungsunternehmens accenture: die branche werde durch „disruptive kräfte“ von außen bedroht. vor allem in europa fehle es an investitionen. weitere her- ausforderungen bestünden darin, die unternehmensfinanzierung neu auszurichten, die firmen umzustrukturieren und die kosten zu senken. daher werde es zwangsläufig zu konsolidierungen und unternehmenszusammenschlüssen kommen: „aber das allein löst die probleme nicht“. noch habe die chemieindustrie ihren platz in der kreislaufwirtschaft nicht gefunden, „obwohl diese eigentlich ein geschenk für die chemieindustrie ist. sie kann helfen, diese wirk- lichkeit werden zu lassen. aber dazu braucht sie ideen und visio- nen“. zweifellos könne die branche die gegenwärtigen herausforde- rungen meistern. denn sie verfüge über die „wichtigste ressource dazu, nämlich hirnschmalz. außerdem hat sie das nötige geld, um sich neu aufzustellen. orientieren sie sich nicht nur an bestehen- den märkten, sondern schaffen sie sich selber neue märkte.“ gegen bartels‘ vorwurf mangelnder innovationen verwahrte sich heinz haller, der vizepräsident von cefic und präsident von dow europe, mea and india: „schauen wir uns dow an: wir allein bringen jährlich rund 5.000 neue produkte auf den markt.“ europa wiede- rum sei alles andere als industriefreundlich, vor allem hinsichtlich seiner regulierungen: „genau wegen der regulierung haben wir marktanteile verloren. wir haben höhere regulatorische kosten als die industrie in der übrigen welt. in gewisser weise bringt uns die regulierung um.“ unterstützung von der kommission zur gewissen gelassenheit riet carsten brzeski, der chefökonom der ing-diba. hallers klagen über die regulierung wögen nicht zu schwer: „natürlich muss er das sagen. das ist sein job als cefic-vizepräsident.“ zur europäischen chemieindustrie und deren stärkung bekannten sich jos delbeke, der leiter der generaldirek- tion climate action der eu-kommission, und kestutis sadauskas von der generaldirektion umwelt der kommission.„wir haben in europa die beste chemieindustrie der welt. sie muss ihre chancen nur wahrnehmen und nutzen“, betonte delbeke. sadauskas ergänzte, ohne chemieindustrie werde es keine kreis- laufwirtschaft geben. zu deren verwirklichung würden neue pro- duktionsmethoden ebenso benötigt wie neue materialien. auf plastik könne die menschheit auch weiterhin nicht verzichten: „die frage ist allerdings, wie wir kunststoffe herstellen und nutzen. es gilt, sie mit besseren verfahren zu erzeugen und zu höheren prei- sen zu vermarkten als bisher.“ nicht zuletzt dem diene die „plas- tikstrategie“, die die eu-kommission innerhalb der nächsten zwei monate vorlegen werde.