74 chemiereport.at SERVICE AustrianLifeSciences 2019.5 Für Sie gelesen Die therapeutische Kraft der Gedanken Von Georg Sachs . Kann man sich gesund denken? Was auf den ersten Blick wie die übliche Scharlatanerie klingt, die man von diversen Wunderheilern und Abnehmratgebern kennt, ist eines zwei- ten Blickes würdig, wenn es sich um das Buch einer nüchternen Pathologin handelt. Katharina Schmid, in Wien geborene und ausgebildete und im bayerischen Straubing tätige Ärztin, die ihre Tage gewöhnlich vor dem Mikroskop verbringt, um Gewebeproben zu analysieren, ist zum Schreiben ihres Buchs „Kopfsache gesund“ angeregt worden, weil sie für einen Patienten, den sie von der Macht der eigenen Gedanken überzeugen wollte, eine Reihe von Studien zusammensuchte, die das belegen – und dabei bemerkte, das ein- fach geschriebene Lektüre zum Thema fehlt. Schmid hat sich eingehend mit den Ergeb- nissen der Gehirnforschung beschäftigt: Wer weiß, welche Gehirnareale in bestimmten Situationen miteinander in Wechselwirkung treten, kann davon im Umgang mit sich und anderen Gebrauch machen. Die Schlüssel- stelle dabei ist der Thalamus: Er selektiert aus der Fülle der Sinneseindrücke das her- aus, worauf der Neocortex – diese graue Schicht Großhirnrinde, auf die wir Menschen so stolz sind – seine Aufmerksamkeit richtet: „Indem wir uns bewusst bestimmten Din- gen zuwenden, wird von diesen Dingen auch mehr in unserem Bewusstsein auftauchen“, so die Autorin. Zweiter Schritt: Zwischen dem Immunsys- tem und dem emotionalen Zustand bestehen starke Zusammenhänge. Gut belegte Ergeb- nisse der Psychoneuroimmunologie würden zeigen, wie die seelische Verfassung Einfluss auf die Immunkompetenz des Organismus nimmt. Manche Ärzte sehen besonders bei chronischen oder onkologischen Krank- heitsbildern eine starke psychische Kompo- nente. Durch gezielte Techniken lassen sich Selbstheilungskräfte des Körpers gleichsam trainieren. Dritter Schritt: Selbst wenn der Mensch bestimmte genetische Risikofakto- ren in sich trägt, ist dies keine Einbahnstraße. ÖAKÖAK Ö s t e r r e i c h i s c h e Auflagenkontrolle ÖAK geprüfte Auflage 2018 Durchschnittsergebnis pro Ausgabe: • Verbreitete Auflage Inland 9.021 Ex. • Verbreitete Auflage Ausland 408 Ex. • Druckauflage 9.519 Ex. siologen Jacobo Grinberg-Zylberbaum tat- sächlich zeigen konnten, dass „Quantenkom- munikation“ zwischen Menschen möglich ist, bleibt mehr als fraglich. Schmid interpretiert die Ergebnisse im Hinblick auf Phänomene der Quantenverschränkung, die man an ein- fachen Systemen wie Photonen beobachten kann – aber Verschränkung von zwei Gehir- nen? Schmid gibt zwar zu, dass es noch ein denkbar weiter Weg ist, bis sich die Quan- tenphysik in die Medizin integrieren lässt. Sie nimmt Spekulationen, die es auf die- sem Gebiet gibt, aber zum Anlass, zu einem Arzt-Patienten-Verhältnis zu raten, bei dem beide an einem Strang ziehen, oder psychisch belastete Beziehungen durch die Macht der Gedanken für beeinflussbar zu halten – dafür hätte es wohl keine Quantenphysik gebraucht. Schon mehr kann man Schmids Über- legungen abgewinnen, im Lichte der Neuro- wissenschaften alternativmedizinische oder ostasiatische Praktiken neu zu überdenken. Meditation, Dehnungsübungen, Massage, Atemtechnik – durch all das kann die Kon- zentration der Gedanken in eine gewünschte Richtung gelenkt werden und der Einfluss auf den Organismus eingeübt werden. Den Abschluss des Buchs bilden konkrete Tipps zum Umgang mit den eigenen Gedanken, sodass diese zur Quelle von „Heilung aus dem eigenen Bewusstsein“ werden können. Auch wenn das hochtrabend klingt, ist mancher Ratschlag nicht von der Hand zu weisen: Ziel- gerichtetes Denken hält ein Problembewusst- sein aufrecht (das unterscheidet es vom plat- ten „positiven Denken“, das auch Schmid für kontraproduktiv hält), kanalisiert es aber auf die angestrebte Lösung, anstatt die Gedan- ken immer um das kreisen zu lassen, was eigentlich vermieden werden will. Die Ziel- vorstellungen sollen dabei sogar möglichst präzise sein; es ist auch medizinisch nützlich, wenn man weiß, was man will. Und schließ- lich: Ohne zur Ruhe zu kommen, ist eine Neu- ausrichtung der Gedanken, ein Heraustreten aus dem bisherigen Bann nicht möglich. Katharina Schmid: Kopfsache gesund. Die Wissenschaft entdeckt die Heilkraft der Gedanken. Edition a, Wien 2019 Die Epigenetik habe gezeigt, so Schmid, dass die Lebensgewohnheiten beispielsweise durch das, was wir essen, mitentscheiden, was von dem, was erblich vorgeprägt ist, auch tatsäch- lich Wirkung entfaltet und was nicht. Schmid verwendet diese Ergebnisse in ihrer Praxis, um Patienten davon zu überzeugen, dass erbliche Vorbelastung nicht mutlos machen und keinen Grund darstellen sollte, die eigenen Lebensge- wohnheiten zu überdenken. Quanten-Voodoo oder gesunder Hausverstand? Nicht alle Schritte der Autorin muss man mitgehen. Ob die Experimente des Neurophy- Impressum Chemiereport.at – Österreichs Magazin für Wirtschaft, Technik und Forschung. Internet: www.chemiereport.at • Medien- inhaber, Verleger, Herausgeber, Anzeigenverwaltung, Redaktion: Josef Brodacz, Rathausplatz 4, 2351 Wiener Neudorf, Tel.: +43 (0) 699 196 736 31, E-Mail: brodacz@chemiereport.at • Anzeigen- und Marketingleitung: Ing. Mag. (FH) Gerhard Wiesbauer, Tel.: +43 (0) 676 511 80 70, E-Mail: wiesbauer@chemiereport.at • Chefredaktion: Mag. Georg Sachs, Tel.: +43 (0) 699 171 204 70, E-Mail: sachs@chemiereport.at • Redaktion: Dr. Klaus Fischer, Simone Hörrlein MSc, Dipl.-HTL- Ing. Wolfgang Brodacz, Dr. Karl Zojer • Lektorat: Mag. 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