32 MÄRKTE & MANAGEMENT chemiereport.at AustrianLifeSciences 2019.7 Schach dem Tierleid Welche Rolle das in Österreich beliebte Schnitzel, der Schweinsbraten oder das Backhendl künftig spielen, wird vom Ver- braucher, aber auch vom Grad der Umset- zung der erwähnten SDGs und entspre- chender EU-Vorgaben abhängen. Rund um den Globus ist der Fleischgenuss nach wie vor im Trend und in so mancher Welt- gegend Ausdruck für sozialen Status und finanzielles Wohlergehen. Somit verwun- dert es nicht, dass gegenwärtig jährlich rund 350 Milliarden US-Dollar für Fleisch- produkte und Nahrungsmittel ausgegeben werden, denen Fleisch zugrunde liegt. Die in Österreich angesiedelte Web- Initiative „Future Food“ ist angetreten, diese Situation zu ändern und den Men- schen pflanzliche Alternativen schmack- haft zu machen. Das Future-Food-Team besteht aus Tierschützern, Wissenschaft- lern und Wirtschaftsfachleuten und wird vom Geophysiker und Lebensmittelwissen- schaftler Kurt Schmidinger geleitet. Auch in Mauerbach beklagte Schmidin- ger die mit dem Hunger nach Fleisch aufs Engste verbundene Massentierhaltung und deren Effekte. Insbesondere kritisierte er das milliardenfache Tierleid, die gravie- renden Nachteile für die Umwelt bzw. das Klima, den hohen Flächen- und Wasser- verbrauch, wodurch die Ernährung der weiter zunehmenden Weltbevöl- kerung noch schwieriger werde, die Risikofaktoren globale Pandemien und Antibiotika-Resistenzen und, bezogen auf die Industriestaaten und im Fall hoher individueller Genussmengen, Gesundheitsri- siken für den Menschen. Als „global größte Lebensmit- telverschwendung“ bezeichnete Schmidinger den Umstand, dass nur eine von sieben der im Zuge der Nutztierhaltung investierten Kalorien auch tatsächlich Fleisch ergebe. Ein Drit- tel der Welternte an Getreide, Sojabohnen etc. ende demnach als Exkremente. Bald in aller Munde? „Vleisch“ & Co. „Future Food“ plädiert deshalb dafür, tierische Produkte durch Alternativen zu ersetzen. Es handelt sich dabei einer- seits um „Pflanzenfleisch“ bzw. „Vleisch“, „Pflanzliche Milch“ (bzw. Käse und Joghurt) und „Statt-Ei-Produkte“, die alle- samt den entsprechenden Tierprodukten ähneln. Auf diesem Gebiet existiert bereits eine gewisse Auswahl. Die pflanzlichen Grundlagen für das „Vleisch“ sind der Wei- zen (Weizengluten), die Sojabohne, die Lupine, Frischpilze („Fresh’schrooms“), fermentierte Schimmelpilze, Algen, Reis, Erbsen und Gemüsefasern. „Future Food“ plädiert dafür, tierische Produkte durch Alter- nativen zu ersetzen. In den USA engagieren sich Show-Grö- ßen, Sportler von Weltformat und Wirt- schaftskapitäne seit geraumer Zeit für den perfekten, auf pflanzlicher Basis herge- stellten – und dennoch „blutenden“ – Rind- fleischburger. Bis vergangenen Mai sollen Jaden Smith, Serena Williams, Bill Gates und Co. bereits in Summe rund 750 Millio- nen US-Dollar in dieses Projekt investiert haben. Bereits weit fortgeschritten ist hingegen „Beyond Meat“. Die für die Gackertiere erfreuliche Produktlinie wird in den USA vom Schauspieler Leonardo DiCaprio und von Tyson Foods unterstützt. In Europa ist die PHW-Gruppe, Deutschlands größ- ter Geflügelzucht- und Verarbeitungsbe- trieb, involviert. Der Börsengang des neuen Unternehmens erfolgte im vergangenen Mai. Im ersten Monat war ein Kursgewinn um mehr als 300 Prozent zu verzeichnen. Grundlagen für alternative „Milch“-Pro- dukte und Eiscremes sind Soja, Hafer, Man- deln, Reis, Kokos, Quinoa, Hirse, Dinkel, Gerste und Kamut, die häufig mit Vitami- nen und Kalzium angereichert werden. Als Ausgangsprodukte für pflanzlichen Käse eignen sich Soja- und Erbsenprotein, Tofu, Kartoffel- und Reisstärke, Hefe, Tapioka- und Pfeilwurzmehl sowie diverse Öle. Pflanzliche Alternativen zum Hüh- nerei, zunächst gedacht für die weiter- verarbeitende Industrie, werden heute bereits von rund zehn Unternehmen aus den USA, Großbritannien und den Nieder- landen angeboten. Ausgangsstoffe sind diverse Gelier- bzw. Verdickungsmit- tel, Sojalezithin, Kartoffelproteine und -stärke, Sojabohnen, Weizengluten, Maissirup – und manchmal tatsäch- lich auch Milch und Eibestandteile. Eine gewisse Bekanntheit haben bereits entsprechende Startups wie „Beyond Eggs – Hampton Creek Just“ und „mayo wars“ (in Kooperation mit Unilever) erreicht. Alternativ bzw. ergänzend dazu wird am „In-vitro-Fleisch“ (= „kul- tiviertes Fleisch“ bzw. „clean meat“) geforscht. Es geht dabei um die Ent- wicklung tatsächlicher Fleisch-, Milch- und Eiprodukte auf Basis der „zellulären Landwirtschaft“, die dazu Biofermenter-Technologien nutzt. Noch besteht auf diesem Gebiet großer For- schungsbedarf. Weitere Informationen imh: www.imh.at AGES – Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit: www.ages.at Landwirtschaftskammer Österreich: www.lko.at Future Food: www.futurefood.org k c o t S i / 7 0 0 s p i l l i h p m : d l i B