EU-Klimapolitik braucht ambitionierte Industriepolitik

Das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2040 zu erreichen, ist nur mit raschem Infrastrukturausbau, Technologieneutralität sowie umfassenden Förderungen erreichbar, betont der Chemieindustrieverband Cefic.

 

Foto: EC - Audiovisual Service / Dati Bendo
Neues Klimaziel: Die Industrie kann bei der Festlegung der Details mitreden, versichert die EU-Kommission.

Begrenzte Freude mit dem Vorschlag der EU-Kommission, die unionsweiten CO2-Emissionen bis 2040 um 90 Prozent zu senken, hat der Chemieindustrieverband Cefic. Er begrüßte in einer Stellungnahme zwar die Beteuerung der Kommission, auf die Anliegen der energieintensiven Industriezweige und damit auch der Chemiebranche Rücksicht zu nehmen. Kritik übte er aber an den fehlenden „konkreten und zeitgerechten Lösungen“ für deren Probleme. Laut dem Cefic muss die europäische Klimapolitik „von einer ambitionierten Industriepolitik begleitet werden, die die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie jetzt und nicht in einer unbestimmten Zukunft gewährleistet“ und sicherstellt, dass die Unternehmen die notwendigen massiven Investitionen zeitgerecht durchführen können. „Je ambitionierter das Ziel ist, desto mehr Unterstützung muss die Industriepolitik samt der zugehörigen Maßnahmen bieten“, heißt es in der Stellungnahme.

 

Unter anderem fordert Cefic die rasche Schaffung der Infrastruktur für eine CO2-neutrale Energieversorgung. Darunter fällt der Ökostrom-Ausbau ebenso wie jener von Stromleitungen und Pipelines, aber auch von CO2-Speichern. Ferner verlangt der Verband die Technologieneutralität, um die Kosten für die CO2-Vermeidung so gering wie möglich zu halten. Weitere Wünsche sind Förderungen für Technologieentwicklung, -ausrollung und -export, ein Ende der Carbon- und Investmentleakage und die Schaffung eines Markts für CO2-neutrale Technologien.

 

Die Chemiebranche sei bereit, ihre Rolle auf dem Weg zur CO2-Neutralität zu spielen, heißt es in der Stellungnahme. Die Gespräche mit der Politik über die erforderlichen Rahmenbedingungen hätten bereits begonnen. Das Cefic freue sich auf deren Fortsetzung im Sinne einer „weltweit wettbewerbsfähigen CO2-neutralen europäischen Chemieindustrie“.

 

Etliche Voraussetzungen

 

Bekanntlich hatte die scheidende EU-Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen am 6. Februar ihren Vorschlag zur Verschärfung der klimapolitischen Ziele der Union veröffentlicht. Auf der Basis einer umfassenden Folgenabschätzung sprach sie sich dafür aus, „die Nettotreibhausgasemissionen bis 2040 um 90 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und eine Diskussion mit allen Interessenträgern einzuleiten; nach den Europawahlen wird die nächste Kommission einen Legislativvorschlag vorlegen, der mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten gemäß dem EU-Klimagesetz vereinbart wird“. Die genannten „Europawahlen“, also die Wahlen zum Europäischen Parlament, finden vom 6. bis 9. Juni statt. In Österreich ist der Wahltag Sonntag, der 9. Juni.

 

In ihrer Mitteilung bezüglich des vorgeschlagenen neuen Ziels nannte die Kommission eine Reihe von Voraussetzungen, die ihr zufolge notwendig sind, um dieses zu erreichen. Unter anderem umfassen diese die „Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, eine stärkere Konzentration auf einen gerechten Übergang, bei dem niemand zurückgelassen wird, gleiche Wettbewerbsbedingungen mit internationalen Partnern und einen strategischen Dialog über den Rahmen für die Zeit nach 2030, auch mit der Industrie und der Landwirtschaft“.

 

Mit anderen Worten: Die Industrie und deren Vertreter werden auf jeden Fall die Möglichkeit haben, sich zur Ausgestaltung der neuen Vorgaben zu äußern und auf diese gemäß ihren Interessen Einfluss zu nehmen.